An Lady Gaga kommt niemand vorbei: Selbst die britische Times wählte sie unter die 100 einflussreichsten Menschen. Diese Woche erwarteten ihre Fans den Release ihres neuen Videos "Alejandro" per Countdown.
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Auch wenn Lady Gaga ihre Outfits und Rollen so oft wechselt, wie es selbst Madonna in ihrer dreißigjährigen Karriere nicht geschafft hat, bleiben bestimmte Bilder hängen: Lady Gaga schüttelt als roter Plastik-Zorro verkleidet der Queen die Hand, Lady Gaga imitiert mehrmals die Klamotten der amerikanischen Talkshowgrößen, bei denen sie gerade zum Fernsehinterview sitzt.
Lady Gaga schüttelt der Queen die Hand
Lady Gaga streut das Gerücht, sie habe einen Penis, und verpixelt dann im darauf Bezug nehmenden Video "Telephone" ihr Geschlechtsteil. Zuletzt rätselten die Fans aber weniger über das Geschlecht des Superstars, sie sorgten sich um die Gesundheit Gagas, weil sie während ihres weltweiten Tour-Marathons ein paar Mal kollabiert ist.
Aber wenn man das System Superstar "aufführen" will, wie Lady Gaga nicht müde wird zu betonen, darf man nicht schlapp machen. Aushalten kann sie das allerdings nur gedopt, sagte die 24jährige zuletzt in einem Interview in der "Times". Wie so vieles, was die Strategie der Künstlerin ausmacht, bleibt diese Aussage bewusst ambivalent: sie lässt sich eins-zu-eins und gleichzeitig wie eine Kritik der leistungsorientierten Celebrity-Culture lesen. Genauso wie ihre Auftritte immer aufreizend und hypersexuell, gleichzeitig aber auch als Karikatur der gängigen Schönheitsideale von Frauen im Showbiz lesbar sind. Das ist der Gaga-Gag. Und diese Doppeldeutigkeit macht sie auch für gendersensible, queerverliebte Feministinnen wie Alice interessant. Eure Alice freut sich immer, wenn es im Mainstream knirscht.
Aber genau diese Doppeldeutigkeit ist auch das Problem: Wir haben kapiert, dass Gaga das Business kapiert hat. Schlägt sie es deshalb dessen mit eigenen Waffen? Unterwandert sie, wie sie selbst behauptet, so das Musikbusiness? Oder trägt die obsessive Sexualisierung einzig zum großen kommerziellen Erfolg von Lady Gaga bei?
Lady Gaga in Straßburg auf der Bühne
Bildunterschrift: Bühnenoutfit à la Lady Gaga.
Eure Alice findet diese Doppelstrategie keineswegs subversiv. Gagas Strategie ist einfach nur ökonomisch schlau, weil sie so im Mainstream und in den queer-feministischen Milieus verkauft, also einfach nur ihre Zielgruppe erweitert. Alice fragt also weiter: Lachen Frau Gaga und ihr Beraterteam sich nicht insgeheim ins Fäustchen, weil so auch eine feministische Kritik verhindert wird? Wenn Lady Gaga, wie in ihrem letzten Video Telephone, immer nur halbnackt performt, aber das lesbische Bad Girl gibt, werden mögliche Einwände gegen ihre Inszenierung als Sexbombe unsexy.
Eure Alice, ihr habt wahrscheinlich schon darauf gewartet, traut sich dennoch! Denn in Zeiten der Hypersexualisierung ist Alice gerne wieder altmodisch und ironiefrei.
Das super-campe, karikaturhaft-sexuelle überstrahlt jede Kritik an Pornografie, Rollenzuschreibungen und neoliberalen Selbstausbeutungsmechanismen. Rückendeckung und Ernsthaftigkeit holt sich Alice gern von der Grande Dame der Cultural Studies, von Angela McRobbie. Sie schreibt in ihrem neuen Buch "Top Girls" kritisch über den Postfeminismus und den scheinbar aufgeklärten Sexismus:
"Junge Frauen sind bereit, den ironischen Konsum von Pornographie zu normalisieren Trotz seiner Freiheit ist das neue weibliche Subjekt dazu aufgerufen, zu schweigen und Kritik zurückzuhalten, wenn es als moderne und kultivierte junge Frau gelten möchte. Das Zurückhalten von Kritik ist sogar die Bedingung für ihre Freiheit."
Die Gaga-Strategie ist also ganz dem Zeitgeist verpflichtet. Und auch wenn eure Alice verführt ist, die Künstlichkeit, Maskerade und Pose von Lady Gaga zu feiern, die Camp und die schwul-lesbische Kultur in den Mainstream bugsiert, findet sie Gagas aufgeklärten, ironischen Sexismus am Ende doch nur lächerlich und riskant: just another sexy pop star!
Mascha Jakobs / 11 June 2010 for Radio Alice
www.br-online.de/bayern2/zuendfunk/zuendfunk-kolumne-radio-alice-lady-ga...
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